Architektur ist Handwerk

oder über die Schönheit des Materials

vorheriges nächstes

Für den Charakter eines Bauwerks, seine atmosphärische Qualität und seine erlebbare  Aussage ist  das Material, aus dem es gebaut ist, entscheidend. War die Wahl der Materialien früher noch mit der Konstruktion des Tragwerks verbunden, sind die heutigen Bauwerke aus vielen Schichten  zusammengesetzt, die nur teilweise etwas mit der tragenden Konstruktion hinter der Fassade zu tun haben.

Die für das Bauen von Häusern erforderlichen Materialien wurden der Natur entnommen oder in weiteren Arbeitsprozessen handwerklich entwickelt. Diese menschliche Arbeit, das Sägen des Holzes, Formen und Brennen des Tones, Spalten und Behauen des Steines, Mischen und Färben des Mörtels, stellen einen großen Wert dar, einen materiellen aber auch immateriellen und geistigen.

Damit ist Architektur „handmade“, im Kopf erdacht und mit den Händen geformt und unter kompositorischen Gesichtspunkten gefügt. Dem Haus, das Material zu geben, oder aus dem jeweiligen Material eine architektonische Haltung zu generieren, die die Eigenschaften des Materials zum Ausdruck bringt oder sogar noch steigert, ist eine zutiefst sinnliche Erfahrung, im visuellen, aber auch haptischen Sinne.

Die Nichtkenntnis der handwerklichen Entstehungsprozesse, das Ausblenden aller Regeln der Baukunst, das bewußte Brechen mit der Geschichte führt zu Beliebigkeit des Modischen, zu unerträglicher Originalitätswut oder zu temporärem Kitsch.

... aus "Material und Wirkung in der Europäischen Baukultur", Prof. Ludgar Brands